Die Geburt des MBC-1905eV.
Ernstes und weniger Ernstes
zur Geburt des Münchener Briefmarken-Club e.V.von Dr. Gertlieb Gmach
Der Münchener Briefmarken-Club e.V. ist, wie der Zusatz e.V. ohne weiteres erkennen lässt, ein eingetragener Verein, dies seit 24. November 1905 mit der am 22. Oktober 1905 errichteten ersten Fassung seiner Satzung. Wiewohl demnach rechtsfähig und derzeit sogar steuerrechtlich als gemeinnützig anerkannt, ist er als juristische Person für sich selbst nicht ohne weiteres sicht- und bemerkbar. Seine Mitglieder tragen die Eigenschaft der Mitgliedschaft mit sich herum, oft ohne sich dessen bewusst zu sein. Sie haben sich auf der Basis des allen eigenen bazillus philatelicus einem gemeinsamen Zweck verbunden, der über jede eigene Persönlichkeit hinausweist: die gemeinsame Liebe und Pflege dieses bazillus und die Anstrengung dahin, möglichst viele andere Personen mit dieser Krankheit zu infizieren (freie Übersetzung der Satzung des MBC e.V.). Eröffnen Mitglieder im Rahmen des Clubs einen Gedankenaustausch unter Einfluß ihrer Infektion, ist er auf einmal da, der Münchener Briefmarken-Club e.V., auf immaterieller Ebene und rechtlich fassbar.
Schon bei seiner Geburt muß es sich bei unserem nun hundertjährigen Jubilar um ein kräftig krähendes, alt-baierisch eigensinnig nach Unabhängigkeit strebendes eher männliches Kerlchen gehandelt haben, wobei ich nicht zum Ausdruck bringen möchte, dass seinerzeit (1905) Liebhaberei ausschließlich männlich dominiert war. Wohl aber blühte die weibliche gesellschaftlich bedingt im allgemeinen eher im Verborgenen.
Der oder die Erzeuger des Münchener Briefmarken-Club e.V. sind nicht ganz bekannt, was aber der Seriosität des Clubs keinen Abbruch tut. Die Schwangerschaft, die der Geburt des Münchener Briefmarken-Club e.V. vorausging, verlief aber doch einigermaßen dramatisch.
Die Mutter war der aus der wörtlich zu nehmenden Konkursmasse des Bayerischen Philatelisten-Vereins hervorgegangene und noch heute existierende Bayerische Briefmarken-Sammler-Verein (neu gegründet am 19. Januar 1901), mit seinem damaligen Vorsitzenden A. Chelius. Diese Mutter war offenbar seinerzeit eine höchst unselbständige Person, stand sie doch von Anfang an als „Section“ ausgerechnet unter einem sächsischen Dach, dem des Internationalen Philatelisten-Vereins Dresden. Sachsen als philatelistische Oberherren zu einer Zeit, als im Gegensatz zu diesem Volksstamm die Bayern noch munter und kraftvoll ihr eigenes Postregal ausübten!
Mag es dieser oder ein sonstiger bedeutsamer Grund gewesen sein, nach Beendigung des Stiftungsessens des Bayerischen Briefmarken-Sammler-Vereins am 3. Februar 1905 kam es in der Generalversammlung im Punkt 2 der Tagesordnung urplötzlich und offenbar ohne zeitlich größere Vorwarnung in Anwesenheit des Vorsitzenden des Internationalen Philatelisten-Vereins Dresden, Dr. Kloss, zum Eklat, der uns in der Zeitschrift „Der Philatelist“, wie unten im Bild wiedergegeben, überliefert ist.
Damit waren die Geburtswehen des Münchener Briefmarken-Club e.V. eingeleitet. Die Unzufriedenen haben nicht aufgegeben, was schließlich zu ihrem Ausschluss aus dem Internationalen Philatelisten-Verein Dresden und dem Bayerischen Briefmarkensammler-Verein geführt hat. Hierzu nahm der Bayerische Briefmarkensammler-Verein am 15. November 1905 Stellung. Diese Stellungnahme ist in der Zeitschrift der Philatelist vom 15. Dezember 1905 nachzulesen und unten im Auszug abgebildet.
Mit dem letzten Satz dieser Stellungnahme kann nur einer gemeint gewesen zu sein: der wie dargelegt am 24. November 1905 im Münchener Vereinsregister eingetragene Münchener Briefmarken-Club e.V. Dass die vorstehend angeführten Querelen die Ursache seiner Geburt waren zeigt, die personelle Verbindung: Der 2. Vorstand des Münchener Briefmarken-Club e.V. war nach Walter Marx (1905-1906) der in der Sitzung des Bayerischen Briefmarken-Sammler Vereins am 18. November 1905 bezeichnete Otto Pollak (1906-1912, u.a. Spezialsammlung Luxemburg), in den veröffentlichten Sitzungsprotokollen finden sich auch die Namen Ludwig Geidel (kurze Zeit Schriftführer), Glenk, Mayer, Schneider und Korhammer. Damit ist die Verbindung zum Zeugungsakt des Münchener Briefmarken-Club e.V. eindeutig tragfähig.
Hat unser Club auch seine Flegeljahre weit hinter sich gelassen und in den hundertelf Jahren seines Bestehens im Rahmen der von Fritz Heimbüchler in der Festschrift zum Neunzigsten eingehend geschilderten Geschichte ein ruhigeres Fahrwasser erreicht, so gehört es doch immer noch zum Kernbestand seines Antriebs, philatelistisch ausgetretene Pfade zu verlassen und Neuland zu erkunden. So kann unserem Jubilar bescheinigt werden, dass ihm – trotz zum Teil nicht geringen Alters seiner Mitglieder – der kraftvolle Anspruch seiner Jugend erhalten geblieben ist, was zeigt, dass dieser Anspruch keine Frage des Alters sein muss.
Der Münchener Briefmarken-Club hat es verdient, dass wir Jetzigen die Gläser erheben, auf ihn und seine Gründer anstoßen und ihm Glück bei der Bewältigung des weiteren vor ihm liegenden Jahrhunderts wünschen! Und unseren Nachfolgern rufen wir von hier aus zu:
Bewahrt und pflegt ihn, er hat es verdient.